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Auschwitz und ich

Presseartikel

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Main-Echo, 09.10.2001:
Trauer um Verlust der Menschlichkeit

Betroffenheit verarbeiten: Ausstellung »Auschwitz und ich« im Lichthof des Rathauses

Aschaffenburg. Aus der Betroffenheit kam die Aufarbeitung, aus der Aufarbeitung wurden Schautafeln: Ab heute ist die Ausstellung »Auschwitz und ich« im Lichthof des Aschaffenburger Rathauses zu sehen. Sie wurde von Aschaffenburger Teilnehmern an Seminarfahrten nach Auschwitz erarbeitet. Ihre Empfindungen sind der historischen Wirklichkeit jenes Vernichtungslagers gegenübergestellt, das zum Inbegriff des Holocaust geworden ist.

Die Trauer um die in Auschwitz ermordeten Menschen verband sich bei den Auschwitz-Besuchern vom Untermain mit der Trauer um den Verlust der Menschlichkeit eines ganzen Volkes.

1993, 1995 und 1997 hatten der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt der Evangelischen Kirche, die Aktionsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der Evangelischen Kirche und das Bündnis gegen Rechts zu Fahrten nach Auschwitz eingeladen. Die Teilnehmer haben nicht nur die historischen Stätten das Stammlagers Auschwitz und der Lager Birkenau und Monowitz besichtigt, sie haben sich auch mit der Arbeit ihrer Hände an der Pflege der Gedenkstätte beteiligt. Nach ihrer Rückkehr haben sie die Eindrücke verarbeitet, einmal mit Vertiefung des Wissens um die Organisation der Verbrechen - der Morde, der Ausbeutung von Arbeit und der Menschenversuche. Sie haben die geschichtliche Erforschung durch eine »Selbstreflexion über Auschwitz« ergänzt. Konzipiert haben die Ausstellung Susanne Bolczeck, Sabine Hofmann und Rosi Ruf, die Umsetzung besorgte der Münchner Ausstellungsberater Hans-Peter Hüsch.

Der Teil, der die Brücke schlägt zur aktuellen Beschäftigung mit dem Thema und der Notwendigkeit dieser Beschäftigung, enthält während des Aufenthalts entstandene Bilder. Sie zeigen die Reiseteilnehmer bei der Arbeit, aber auch die erschütternden Relikte der Mordmaschinerie - Ansammlungen von Essgeschirr etwa oder Reste medizinischer Gerätschaften. In zehn gründlichen Interviews gaben Teilnehmer über ihre Eindrücke und ihre Betroffenheit Rechenschaft. Kurze Auszüge aus diesen Interviews sind den Zeugnissen der Unmenschlichkeit vor Ort gegenübergestellt.

Der Betrachter der Tafeln im Rathaus soll sich mit dem schwer verständlichen Zivilisationsbruch des Holocaust auseinandersetzen. Als Ergebnis, so hoffen die Ausstellungsmacher, ergibt sich ein Mitgefühl mit den Opfern, eine Stärkung des Gerechtigkeitsgefühls und persönlicher Verantwortung - Eigenschaften, die auch heute nötig scheinen, um Rassismus und Intoleranz in ihre Schranken zu weisen.

Die Ausstellung wird bis zum 9. November gezeigt. Danach wird sie an interessierte Gruppen verliehen.

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Main-Echo, 10.10.2001:
Erinnerung ein Schritt zur Solidargemeinschaft

Eröffnung der Ausstellung »Auschwitz und ich«

Aschaffenburg. Die aktuelle Bedeutung von »Auschwitz«, des Symbols für den Holocaust unter dem Nationalsozialismus, war Thema der offiziellen Eröffnung der Ausstellung »Auschwitz und ich«, die im Lichthof des Aschaffenburger Rathauses zu sehen ist.

Die Beweggründe der Aschaffenburger Arbeitsgruppe von Auschwitz-Reisenden, die nach der Rückkehr ihre Betroffenheit in eine Ausstellung umgesetzt hat, erläuterte Willy Koschutjak vom Aschaffenburger Büro des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern.

Die jüngsten Ereignisse hätten gezeigt, auf wie dünnem Eis sich die Menschheit bewege, sagte Dr. Hans-Gerhard Koch (Nürnberg), der Leiter des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt in Bayern. Er bezeichnete die solidarische Zivilgemeinschaft als kirchlichen Auftrag. Die Erinnerungsarbeit sei dabei ein Schritt. Nötig sei der Kampf gegen menschenverachtende Verhältnisse, die menschenverachtende Verhältnisse produzierten, ob dies in Brandenburg der Fall sei oder im Nahen Osten.

Aschaffenburgs Oberbürgermeister Klaus Herzog, Schirmherr der Ausstellung, erinnerte daran, die Frage, wo die Grenzen des Hasses lägen, sei offensichtlich noch nicht beantwortet. Auch hierzulande hätten Prediger des Rassenwahns gläubige Gefolgsleute gefunden. Viele hätten sich damals als unempfindlich gegen die Gebote der Menschlichkeit erwiesen und noch heute sprieße bei uns die unmenschliche Saat. Wer darauf hinweise, pflege keinesfalls nationale Selbstanklage, sondern lege ein Bekenntnis ab gegen Terror aller Schattierungen und übernehme Verantwortung für die Verteidigung der Demokratie und für das Streben, alle Konflikte in ziviler Form zu lösen.

Die Ausstellung sei eine Ehrerbietung den Opfern gegenüber, betonte Christoph Heubner, Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees. Reden von der Vergangenheit sei fruchtlos, wenn die Gegenwart nicht einbezogen werde. Wer wie die Ausstellungsmacher emotional umgetrieben worden sei von der Erfahrung Auschwitz, der nehme auch sensibel und bewusst die Gegenwart wahr. Die ehemaligen Häftlinge suchten bis heute ihre Erlebnisse zu bewältigen. So habe sich der frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, dessen Frau und Kinder in Auschwitz ermordet wurden, sich stets gefragt, ob diese nicht doch irgendwie entkommen konnten - in dem Bewusstsein, wie irreal diese Hoffnung war. Gerade er habe ein Beispiel dafür gegeben, als Mahner die Wahrheit beim Namen zu nennen, aber auch die Ursachen und die Täter.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.10.2001:
Perspektiven einer Reisegruppe

Ausstellung "Auschwitz und ich« im Rathaus eröffnet

as. ASCHAFFENBURG. Im Februar 1942 erreichten die ersten Transporte Auschwitz, bis zur Befreiung durch die sowjetische Armee Ende Januar 1945 wurden in dem Konzentrationslager eine Million Menschen umgebracht. Auschwitz stehe nicht nur für den Zivilisationsbruch, den Deutsche begangen hätten, sondern auch für die Trauer um den Verlust an Menschen und Menschlichkeit, sagt Susanne Bolczek. Sie hat gemeinsam mit Sabine Hofmann, Rosi Ruf und Willi Koschutjak eine Ausstellung mit dem Titel »Auschwitz und ich« konzipiert, die seit Montag im Lichthof des Aschaffenburger Rathauses zu sehen ist.

Im Mittelpunkt stehen nicht historische Dokumente, sondern die persönlichen Eindrücke und Fotografien von Teilnehmern einer Gruppe, die zwischen 1993 und 1997 dreimal nach Auschwitz gefahren ist. Die Reisen waren vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) der evangelischen Kirche Bayerns, der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der evangelischen Kirche Bayerns (AFA) und dem »Bündnis gegen Rechts« organisiert worden.

Ihre sehr private Auseinandersetzung mit diesem »Ort des Schreckens«, so der Ausstellungsberater Hans Peter Hüsch, setze die Gegenwart in Beziehung zu früherem Leid und Terror. Träger der Ausstellung ist der KDA, der der Gruppe nicht nur sein Aschaffenburger Büro zur Verfügung gestellt hat, sondern das Projekt auch finanziell unterstützt hatte.

Die Ausstellung ist so angeordnet, daß der Besucher das Schicksal der Häftlinge von der Ankunft im Lager bis zu ihrem Tod in den Gaskammern verfolgen kann. Je drei Stellwände sind zu einem Triptychon zusammengefaßt. Die mittlere Tafel zeigt die aktuellen Fotos, die während des Aufenthaltes in der Gedenkstätte entstanden sind, sowie Auszüge von Interviews mit den Teilnehmern. Diese werden ergänzt durch historische Fotografien, Texte und Dokumente. Wie ein roter Faden zieht sich der Text der Menschenrechte von 1948, der quer über alle Stellwände verläuft, durch die Ausstellung.

»Ich stehe hier, aber ich kann gehen. Ich bin ein freier Mensch«, äußert sich eine Teilnehmerin der Fahrten nach Auschwitz über die Freiheit, die sie heute hat. Das Ausmaß der Lager macht ein weiteres Zitat deutlich: »Diese gigantische Größe, als ich auf dem Turm über dem Eingangstor stand. Ich habe bis zum Horizont geguckt und immer noch das Konzentrationslager Auschwitz gesehen.«

Dokumentiert sind in der Ausstellung die Rentabilitätsberechnungen der SS über die »Ausnützung« der Häftlinge, die nicht nur die Einnahmen aus dem »Verleihlohn« der Arbeiter, sondern auch den »Erlös aus der rationellen Verwertung der Leiche« berücksichtigte. Bei der Eröffnung der Ausstellung hatte Oberbürgermeister Klaus Herzog (SPD) betont, daß die Auseinandersetzung mit dem Holocaust und mit Auschwitz keine litaneihafte Wiederholung eines nationalen Schuldbekenntnisses sei, sondern ein entscheidender Beitrag in unserem Wirken gegen den Terror aller Schattierungen. Der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees (Berlin), Christoph Heubner, sprach von einem Akt der Gerechtigkeit und Ehrerbietung den Opfern gegenüber.

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Neues Deutschland, 27.10.2001:
Bilder aus der Welt der Toten

Shoa 2: »Auschwitz und ich« - eine Ausstellung

von Jürgen Amendt

Ein gespaltenes Bild: Eine Gruppe junger Menschen inmitten grüner Landschaft. Im Hintergrund ragen verschwommen Mauersäulen aus der Wiese. Vor den jungen Leuten geht ein alter Mann ins Grau des Bildes. Die Gruppe hält respektvoll Abstand zu dem Alten, verharrt an der Grenze zwischen den lebenden Farben und dem toten Grau. Auschwitz-Birkenau, irgendwann Mitte der 90er Jahre. Die Jungen, das sind Besucher des Lagers, der Alte: ein ehemaliger Häftling, ein Überlebender, der die Lebenden durch seine Welt führt - die Welt der Toten.

Das Bild steht am Beginn einer Ausstellung über das Vernichtungslager Auschwitz, die derzeit im Rathaus von Aschaffenburg zu sehen ist. 1993, 1995 und 1997 hatten der Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt der Evangelischen Kirche und das örtliche Bündnis gegen Rechts Fahrten nach Auschwitz organisiert. Die Teilnehmer wurden anschließend interviewt. Entstanden ist eine bemerkenswert professionell konzipierte Ausstellung. Kein beliebiges Aneinanderreihen von Befindlichkeiten, sondern gründliche Arbeit. Wissenschaftlich und pädagogisch wurde das Projekt vom Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt (Main), dem hessischen Landesjugendring und dem Evangelischen Bildungswerk Regensburg begleitet. Ausstellungsberater aus München berieten die Ausstellungsmacher bei der Realisierung des Projekts.

Unter dem Titel »Auschwitz und ich« ist auf zirka 30 Stellwänden die Geschichte des Lagers sowie die der Häftlinge dargestellt. Vor allem aber haben die Ausstellungsmacher die Gefühle und Eindrücke von Teilnehmern von Seminarfahrten nach Auschwitz festgehalten. Bilder, die sich von denen unterscheiden, die üblicherweise mit dem Namen Auschwitz assoziiert werden. Die Darstellungen verbinden das Gestern mit dem Heute. Besucher werden gezeigt, die verrostetes Essgeschirr ausgraben. Rechts daneben: Eine Aufstellung, wie viel ein Auschwitz-Häftling der SS an Kosten verursachte und welcher Profit mit ihm erzielt wurde (Arbeitskraft, Verwertung von Haut, Haar, Knochen und Goldzähnen). Die Bilder sollen dazu anregen, den Prozess des Gedenkens mit neuen Symbolen zu bereichern. Der Bekanntheitsgrad der wenigen Bilder - z.B. das vom Lagertor mit der Aufschrift »Arbeit macht frei« - erschwere für die Nachgeborenen den Zugang zur Geschichte, umschreiben die Organisatoren das Konzept ihrer Ausstellung.

Jede Stellwand ist ein Triptychon: Links Daten, Zahlen, Fakten, rechts Häftlingsschicksale, in der Mitte persönliche Reflexion der Seminarteilnehmer. Er habe geglaubt, in Auschwitz-Birkenau eine wüste Landschaft vorzufinden, vielleicht mit einem Denkmal, heißt es da auf einer der Tafeln. Statt dessen stieß der Besucher auf grüne Wiesen, Heu erntende Bauern, idyllische Birkenwälder. Dort, wo sich das größte Massengrab der Menschheitsgeschichte befindet, wuchert die Natur, gedüngt mit der Asche der Ermordeten.

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